Die offiziell anerkannten Religionen in den Territorien Europas 1500–1648

   

Die Kartenserie bildet den religiösen Wandel Europas im Zuge der europäischen Reformationen des 16. Jahrhunderts ab. Dies geschieht durch eine genaue Rekonstruktion der religionsrechtlichen Verhältnisse in mehreren hundert Territorien in ausgewählten Stichjahren: Das Jahr 1500 steht für den Auftakt des Reformationsjahrhunderts; 1555 wurde mit dem Augsburger Religionsfrieden die Grundlage für eine rechtliche Anerkennung des reformatorischen Bekenntnisses im Hl. Römischen Reich Deutscher Nation gelegt; das Jahr 1580 bedeutete zumindest für die Lutheraner durch die endgültige Festschreibung ihrer Bekenntnisgrundlagen eine Art offiziellen Abschluß der Reformation; 1648 schließlich brachte der Westfälische Frieden eine relativ stabile Friedensordnung für Europa, die auf eine Koexistenz der Konfessionen zielte. Eine Detailkarte stellt das Gebiet der Schweizerischen Eidgenossenschaft dar, wo es auf besonders engem Raum zur konfessionellen Ausdifferenzierung kam.

Anders als sonstige historische Atlanten illustriert die Kartenserie nicht die empirische Religionszugehörigkeit in den einzelnen Herrschaftsgebieten (also beispielsweise, welche Gebiete Frankreichs oder Innerösterreichs im Jahr 1555 protestantisch dominiert waren). Derartige Rekonstruktionen bleiben mangels belastbarer Daten in den meisten Fällen äußerst spekulativ: In reformatorisch dominierten Territorien, etwa auch in den sächsischen Stammlanden der Reformation, gab es noch lange Zeit eine Menge von Personen, die individuell der römischen Kirche anhingen oder aber abweichende, radikale religiöse Strömungen favorisierten. Umgekehrt gilt dies für altgläubige Gebiete. Eine sichere Basis bietet allein der juridische Status des jeweiligen Territoriums.

In Bezug auf jedes dargestellte Gebiet wurden dementsprechend folgende Fragen geklärt: Wann genau wurde die Einführung der Reformation von den maßgeblichen Herrschaftsinstitutionen wie etwa dem Landtag beschlossen – oder entschied man sich dagegen? Wurden vom offiziellen Bekenntnis abweichende Religionsgruppen geduldet? Wo ergaben sich charakteristische Besonderheiten?

Im Ergebnis wird sichtbar, wie wandelbar Europas religiöse Situation bis weit ins 17. Jahrhundert blieb. Deutlich wird auch, wie eng sich jetzt in den jeweils von einer Konfession dominierten Territorien Religionsausübung und politische Herrschaft verbanden. Die wenigen Ausnahmefälle, in denen in einem Territorium unterschiedliche Religionen (bzw. christliche Konfessionen) toleriert wurden, sind rechtlich besonders interessant und zukunftsweisend. In der Kartendarstellung wird hier nochmals differenziert zwischen paritätischen Territorien (wo volle Gleichberechtigung galt) und mehrkonfessionellen Gebieten (wo zwar eine konfessionelle Richtung – meist die des Landesherren – spezielle Privilegien genoss, aber andere Bekenntnisse zugelassen waren, wenn auch oft nur innerhalb genau definierter Regionen im Herrschaftsgebiet). Sichtbar werden auch die wenigen Gegenden, in denen die religionsrechtliche Situation nicht auf der Ebene der Gesamtherrschaft, sondern lokal geklärt wurde, so dass sich die Bekenntnisorientierung von Ort zu Ort unterschied. Die Kartenserie führt hiermit gleichzeitig die Vielfalt an Organisationsmodellen vor Augen, die in der Reformationszeit für den Umgang mit öffentlicher Religionspraxis entwickelt wurden. (J. Wischmeyer)

 

        © IEG-Mainz/Andreas Kunz